Sonntagmorgen 06:45 Uhr…noch 5 Wochen bis zur nächsten Langdistanz. Der restliche Haushalt schnarcht nochmal ausgiebig ins Kissen während man selbst realisiert: Es gibt kein Zurück – 4h Radfahren und 1.5h Laufen stehen auf dem Plan. Und will man nicht erst pünktlich zum Tatort wieder da sein, muss man nun auch mal in die Gänge kommen.
Manchmal tut man das mit einem riesigen Lächeln im Gesicht, manchmal nicht.
Dann fragt man sich auch gerne mal wo die Zeit geblieben ist, in der man 0 Stress damit hatte um 05:00 aufzustehen…nein, nicht um zu trainieren, einfach nur um Scooby Doo zu sehen!! Er fing Diebe, Samstag oder Sonntag Morgens um 05:30 und wenn man dabei sein wollte, musste man pünktlich vor dem Fernseher sitzen. So einfach. Scooby hat auch nie gesagt: Jetzt nochmal 5×5 Min. Kraftausdauer am Berg. An schlechten Tagen kommt zur Müdigkeit auch noch der Endgegner dazu: Das schlechte Gewissen.
4h radeln….. die ersten beiden Stunden sind okay, weil die restliche Welt noch schläft. Es fühlt sich richtig an – man verpasst nichts. Aber spätestens ab 08:00 startet auch bei allen anderen langsam das Leben. Alle sind wach, Frühstücken zusammen oder noch schlimmer: ALLEINE! Mit beinahe jeder Umdrehung der Kurbel drehen sich an solchen Tagen auch die Gedanken: Ist das wirklich okay, dass ich jetzt hier im Sattel sitze? Sollte ich nicht ganz woanders sein? Bei der Familie, bei Scooby Doo oder einfach nur im Bett?
Nach dem Radeln würde man sich am liebsten aus den Pedalen direkt unterzieh Dusche und auf die Couch klicken. Vor dem anstehenden Lauf noch etwas essen und chillen – das wär doch… Aber…oh…man wollte ja nochmal zusammen ein Eis essen oder spazieren gehen. Ist ja schließlich Sonntag. Wochenende. Zeit für die schönen Dinge :D. Spaziert man zuerst durch die Gegend denkt man ans Laufen und den verpassten Trainingsreiz. Läuft man zuerst, schaut man ständig auf die Uhr und mit jeder Minute verrinnt vor dem inneren Auge eine Kugel Eis und das Grinsen in den Gesichtern der Mitmenschen.
Das verdammte schlechte Gewissen……..
Das Szenario ist auf so ziemlich jede Lebenslage und Situation anwendbar: Die Freunde sind im Club oder irgendwo am feiern. Und eigentlich hat man sich gerade an diesem Wochenende dazu entschieden, am nächsten Tag früh aufzustehen und zu trainieren. Und das findet man gut. Aber warum fühlt es sich trotzdem auch mal so sehr danach an, als würde man das gesamte Leben verpassen? Die einen leben la vida loca, die anderen la vida low carb beim Nüchterntraining.
Die alles entscheidende Frage sollte man sich allerdings in Momenten des schlechten Gewissens nicht nur selbst stellen, sondern eben auch seinen liebsten Menschen:
Ist alles okay?
Man glaubt nicht wie oft die Antwort darauf: „Ja, ich finde das toll, wie du das machst“ lautet. Das entlastet nicht nur, es kann einem auch nochmal die letzten 10% Kraft bescheren, die man gerade richtig nötig hat um sich selbst aufzuraffen. Oft unterstützen einen alle und man merkt es einfach aufgrund seines eigenen und unnötigen schlechten Gewissens nicht. Hier gilt: Nur wer fragt, bekommt auch antworten.
Selten haben Menschen das Bedürfnis einem Sonntagmorgens zu unmenschlichen Uhrzeiten auf die Schulter zu klopfen mit den Worten: „Du stehst so früh auf und trainierst so viel. Stark ey!“ Aber vielleicht denken sie es. Und wenn man das Schulter klopfen braucht, dann darf man halt auch gerne mal darum bitten.
Schlimmer ist es allerdings, wenn die Antwort: Nein! lautet. Wenn nichts okay ist. Dann hilft nur noch Umdenken, umstrukturieren und neu aufstellen. Wenn um einen herum alles bröckelt, ist das schlechte Gewissen noch das geringste Problem. Augen auf, beim Langdistanztraining. Dann vielleicht besser ab und zu mal nur 2h aufs Rad und 30 Minuten Laufen. Trotzdem trainiert und viel Zeit für die Lieben —> WIN WIN!
(Exkurs: In die Kategorie Unangenehm fällt es dann wohl eher, wenn das Gegenüber absolut kein Verständnis hat und es auch noch vollkommen bescheuert findet, was man da macht und das auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit sagt. Was dann hilft? Ich habe keine Ahnung aber eine Idee: In Hamburg sagt man „Tschüss“ ?)
Trainingseinheiten unter dauerhaft schlechtem Gewissen bringen jedenfalls meiner zumindest sportmedizinisch völlig unerheblichen Meinung nach wenig bis nichts. Ein mit Partnern, Freunden, Familie, Arbeitskollegen und von mir aus auch Scooby Doo abgestimmter Trainingsplan hingegen kann und wird Wunder bewirken.
Und hey, lachen hilft immer: Die intensivsten Trainingswochen sind zeitlich begrenzt und Sonntage ohne Papa werden nicht die Regel werden, wenn er Triathlet- und nicht gerade ein verurteilter Raubkopierer ist. (Wann kommt Papa wieder? Noch 5 Mal singen!)
For those who know.
Alles wird gut.
P.S. Wenn ihr Familie habt und viel trainiert, schreibt doch gerne mal unter diesem Beitrag kurz (oder auch ausführlich) wie ihr das alles hinbekommt und ob ihr vielleicht ein Geheimrezept habt, dass ihr gerne mit anderen teilen wollt?
1 Kommentar
Schön geschrieben! Ich denke die meisten, die das lesen können sich (leider) bestens in das was du da schreibst hineinversetzen.
Für mich ist immer wichtig, sich vor Augen zu führen, dass nicht gleich die Welt untergeht, wenn eine Einheit mal kürzer ausfällt oder ganz hinten runter fällt, oder wenn mal ein Eis-Date wegen einer wichtigen Einheit nicht stattfinden kann. Das wird weder die Wettkampfzeit maßgeblich beeinflussen, noch wird einem deswegen direkt die Freundschaft gekündigt. Aber natürlich sollte sich das alles die Waage halten & nicht in das eine oder andere Extrem abschweifen.
Prioritäten dynamisch setzen und flexibel sein lautet da für mich die Devise – sowohl im Training, als auch im Privatleben.