Hier gibt es den zweiten Teil meiner Geschichte zum Ironman Lanzarote.
Mein Rennen, was danach so los war und meine Gedanken drumherum:
Schwimmen:
Ich gehe in Richtung Schwimmstart, ich will kurz ins Wasser, mich schon mal an die Kälte gewöhnen. Es kann wirklich einen riesigen Unterschied machen, wenn man einfach nur mal zum Wasser geht um sich das Gesicht mit einem ordentlichen Schwung Wasser nass zu machen. Bei mir hat sich dadurch einiges geändert. Ich komme schneller in meinen Rhythmus und erschrecke nicht zu sehr vor der Kälte. (Mache ich aber wirklich nur wenn es kalt ist, bei Temperaturen ab 20 Grad ist das nicht nötig).
Und da treffe ich auch Anastasia wieder. Natürlich kann man auch am Strand den Schwimmstart beobachten. Völlig vergessen…die Aufregung eben. Wir freuen uns über die zusätzlichen Minuten, die wir nun noch gemeinsam haben, bevor wir beide zum „längsten Tag des Jahres“ aufbrechen :). Hier gehts drunter und drüber. Alle laufen durcheinander und sind super nervös. Ich bin auch aufgeregt, aber dieses Verhalten ist mir irgendwie neu. Es fühlt sich anders an als sonst. Die Atmosphäre ist extrem aufgeladen. Mir wird schnell klar warum: Zum ersten Mal bei diesem Rennen müssen alle Starter am Eingang zum Schwimmstart ihren Chip aktivieren und dazu an einem kleinen Lesegerät vorbeigehen. Wenn es piept ist der Chip aktiviert. Erzähl das mal 1800 Athleten ;). Niemand ist sich sicher, ob sein Chip aktiviert ist und alle drängen sich, ja quetschen sich wie die Verrückten, um das kleine Lesegerät herum den Chip zu aktivieren. Ebenfalls heißt es: wenn der Chip nicht aktiviert ist, wird man den restlichen Tag nicht getrackt. Heißt also keine Splits, keine Zwischenzeiten und keine Endzeit. Erzähl das mal 1800 Athleten ;).
Ich neige ein wenig zu Klaustrophobie (voll gut in solchen Situationen :-P) und versuche dem Gedränge zu entkommen. Wirklich ganz kurz bevor eine Massenpanik ausbricht kommen einige Ordner und erklären lautstark auf verschiedenen Sprachen, dass das Gerät eine Reichweite von 15-20 Meter hat. Man muss nicht direkt ans Gerät, sondern kann ganz einfach zum Schwimmstart gehen. Der Chip ist so oder so aktiviert. Klar…eigentlich völlig logisch, aber erzähl das mal 1800 Athleten :-D. Okay, erste Panik überwunden. Ich verabschiede mich nochmal von Anastasia und reihe mich in die Gruppe 1:00 – 1:05 ein. Ich bin mit Sicherheit kein Delfin, aber ich bin einigermaßen schnell, wenn ich einen guten Tag erwische.
Ich schaue nach vorne und sehe die erste Boje…und dann wird mir eine Sache bewusst, die ich vorher so echt nicht auf dem Schirm hatte. Das ist ein Massenstart, 1800 Athleten starten gleichzeitig und die erste Wendeboje kommt bereits nach 300m – mit einem 90 Grad Knick nach Links.
Stellt euch 3 Liter Wasser und eine 1 Liter Flasche (ohne Boden) mit engem Flaschenhals vor. Nun nehmt ihr die 3 Liter Wasser und versucht diese in die umgedrehte 1L Flasche zu kippen. Was passiert? Klar, es geht fast alles daneben, weil höchstens die ersten 200ml durch den Flaschenhals schießen bevor es anfängt überzulaufen.
Aber keine Zeit mehr weiter darüber nachzudenken, der Sprecher zählt die letzten 20 Sekunden runter und ***BOOOOOM*** alle stürmen ins Meer.
Ich kann ganz ehrlich nicht wirklich sagen was da genau passiert. Wie ich die erste Schwimmrunde geschafft habe, weiß ich nicht mehr. Gefühlt geht es ums nackte Überleben. Ich stelle mich vorne links auf (also innen) um eine gute Ausgangsposition zu haben. Trotzdem gibt es keine Chance normal zu schwimmen. Überall Arme und Beine, aufgewühltes Wasser, Menschen die panisch nach oben schauen um sich neu zu orientieren. Ich komme nach der ersten Runde aus dem Wasser, bringe den kurzen Landgang hinter mich und springe wieder in die Wellen. Die Strömung ist ganz okay, die Wellen sind nicht zu hoch, aber schon jetzt ist klar: heute wird es windig.
Die zweite Runde schwimme ich wesentlich schneller und entspannter, nur meine Füße tun irgendwie ein bisschen weh…dran gedacht und direkt wieder vergessen. Nach 1:06 komme ich aus dem Wasser. Voll im Soll! Stark. Jetzt freue ich mich wieder richtig und denke nicht mehr an die Panik vor einer Stunde. Später stellt sich heraus, dass ich knapp 4Km, also 200m zuviel geschwommen bin.
Ich laufe in Richtung Wechselzelt durch die mobilen Duschen und erinnere mich an einen von super vielen hilfreichen Tipps von Timo: Wasch Dir unter der Duschen das Salzwasser aus dem Gesicht. Check! Ich laufe ins Zelt, schnappe meinen Radbeutel und ziehe den Neoprenanzug aus. Radsachen raus aus dem Beutel, Neoprenanzug und Schwimmbrille wieder hinein. Socken, Helm & Brille an und Go! Auf dem Weg zum Rad nehme ich schon das erste Gel. Schwimmen war anstrengend, also muss ich den Tank wieder ein wenig auffüllen.
Radfahren
Ich schiebe mein Rad aus der Wechselzone und steige auf. 180.2 Km mit 2586 Höhenmeter liegen vor mir.. in Mordor. Es ist windig…sehr windig. Das merke ich schon auf den ersten Kilometern. Ich habe mir meinen Verpflegungsplan zurecht gelegt: jede Stunde eine Salztablette, alle 40 – 50 Minuten ein Gel und ausreichend trinken. Das ziehe ich auch genau so durch, während ich die Strecke einfach nur atemberaubend finde. In jeder Hinsicht.
Und dann kommt der Part auf den ich mich am meisten gefreut hab: die Einfahrt zum Timanfaya National Park in Richtung der Montanas del Fuego – der Feuerberge. Mordor eben :).
Wir biegen nach links ab und sehen die endlose Straße mit den vielen kleinen Hügeln vor uns. Und dann: Gegenwind. Aber nicht nur ein wenig…mehr als 20Km voll auf die 12. Immer wenn ich einen der vielen kleinen Hügel hochfahre, kommt es mir so vor als würde ich jeden Moment einfach wieder zurück geweht werden. Mein Wettkampfgewicht beträgt 60Kg – bisschen wie Frodo Beutlin aus „Der Herr Der Ringe“, nur mit enthaarten Beinen UND Füßen. Zum Hochfahren der Berge ist das Gewicht super, aber gegen den Wind fehlt mir einfach der Bums. Ich lasse wahnsinnig viele Körner auf diesem Abschnitt. Natürlich wusste ich worauf ich mich einlasse. Mit Wind hatte ich gerechnet und entsprechend trainiert, aber an diesem Tag ist es einfach nochmal ein Stück härter. Dazu kommt, dass ich bei Kilometer 60 immer noch nicht so richtig warm geworden bin. Ich friere fast schon ein wenig. 16 Grad, Wind und Wolken, nicht so mein Ding.
Dann geht es bei Gegenwind in Richtung Osten, zu den beiden höchsten Punkten der Radstrecke, zum Mirador del Haria und zum Mirador del Rio. Zwischendurch merke ich, dass mir die Gels ausgehen. Ich hatte genug für den ersten Abschnitt der Strecke dabei und wollte die restlichen Gels bei den Verpflegungsstationen aufnehmen. Da gibt es aber zu meiner Verwunderung nur Riegel. 2 Tage vorher habe ich noch auf der Messe rumgefragt und mir wurde gesagt: „Es gibt überall Gels auf der Strecke“. War ich auch von der Challenge Roth so gewohnt. Memo an mich: Daniel, lies dir die Wettkampfordnung etwas genauer durch. Selbst schuld, doof gelaufen.
Riegel vertrage ich nicht so gut, davon kann ich nicht viele essen. Feste Nahrung im Wettkampf mag ich, außer ab und an beim Laufen, nicht so wirklich.
Die beiden Anstiege haben es nochmal richtig in sich. Ich werde zwar mit wunderschönen Ausblicken belohnt, muss die Zähne aber schon sehr zusammenbeißen. Am höchsten Punkt des Mirador del Rio schaue ich auf meine Uhr und merke sofort: Diggi, mit der neuen Bestzeit wird das heute nix. Ich beschließe das Rennen ab jetzt einfach nur noch zu genießen. Scheiß was auf die Zeit, ich bin hier auf Lanzarote. Hier sind Palmen, Meer, so viele tolle Menschen, eine der schönsten Radstrecken die ich je gefahren bin. Ich bin mitten in einem der härtesten Rennen der Welt und ich werde es schaffen. So oder so. Wahnsinnig befreiend.
Bei der Abfahrt weine ich…. Nicht nur so ein bisschen Tränen verdrücken. Ich muss die Radbrille ausziehen, weil der Fahrtwind in Kombination mit den Tränen eine normale Sicht nach vorn fast unmöglich macht. Ich weine auch nicht weil ich Schmerzen habe, sondern eher, weil mir bewusst wird was ich hier gerade tue. Irgendwie lustig, dass ich kurz danach noch dachte: hoffentlich hat das keiner gesehen, und es jetzt hier in den Blog schreibe. Aber ey, manchmal muss es einfach raus. Die 120 bisher härtesten Kilometer meiner Triathlon Laufbahn liegen jetzt hinter mir.
Trotzdem sind es noch knapp 60 Km bis zur Wechselzone….und noch einige Höhenmeter. Also trete ich in die Pedale und hole raus, was noch drin steckt. Ich komme in Richtung Wechselzone, ohne Saft im Tank, aber mit einer Erfahrung die mir noch lange erhalten bleibt.
Neben mir fährt ein Athlet, dem offensichtlich die Kette gerissen ist. Er hat sie wohl wieder sporadisch zusammengefriemelt und ich denke mir: Wie lange fährt der wohl schon so?! An seinem Blick zu urteilen: lange!!
Ich sehe Anastasia kurz bevor ich vom Rad absteige und will am liebsten direkt zu ihr und erzählen wie krass das einfach alles bisher war. Ah, aber da war ja noch was! Der abschließende Marathon :).
Ich steige vom Rad und mein Radcomputer spricht Bände: 180.2 Km, 2586 Höhenmeter, 170 Watt im Schnitt bei einer Zeit von 6:49:39. Ich hatte im Voraus mit einer Zeit von 5:45 geplant. Ganz knapp verfehlt :-D.
An diesem Tag war die Siegeszeit fast 20 Minuten langsamer als der Streckenrekord. Das es zeigt recht deutlich, wie hart es an diesem Tag da draußen war :).
Laufen
Ich schnappe meinen Beutel, ziehe die Radschuhe aus und wechsle auch die Socken. Zum Radfahren nehme ich eher dünne Socken und zum Laufen nehme ich am liebsten recht dicke. Damit habe ich gute Erfahrungen gemacht und mir bisher fast keine einzige Blase eingefangen. Aus dem Wechselbeutel fällt mir dann auch mein CLIFF Bar vor die Füße. Ich glaube ich hab mich noch nie so sehr über einen CLIFF Bar gefreut wie in diesem Moment. Ich schnappe die Packung, reiße sie auf, beiße rein und bin einfach nur froh über den bekannten Geschmack und die Speicher, die ich damit jetzt wieder ein mini kleines bisschen auffüllen kann. Ich laufe los und biege aber erstmal Richtung Toilette ab. Ich schließe mich ein und lösche alles Negative, das bisher heute passiert ist aus meinem Kopf, damit ich zumindest geistig frisch in den Marathon starten kann. Diese Eigenschaft habe ich mir irgendwie über die Jahre antrainiert. Das klappt nicht immer und natürlich denkt man ab und zu beim Laufen übers Schwimmen und Radfahren nach, aber die negativen Aspekte versuche ich komplett auszublenden.
Ich öffne die Tür und laufe los. Ich fühle mich vom ersten Moment an richtig gut. Wer hätte das gedacht? Ich laufe einen 5.30er Schnitt, wie ein Metronom. Ich genieße es richtig, in den Laufschuhen zu stecken. Der Marathon besteht aus 3 Runden. 11 Kilometer an der Strandpromenade vorbei in Richtung Flughafen und wieder zurück zum Wendepunkt am Ziel. Danach noch zwei 5km Runden. Sowas liegt mir. Ich mag es gerne, wenn ich Punkte habe, die ich während des Laufens als kleine Motivationspunkte nehmen kann. Motivationspunkte z.B. im Sinne von: Wenn ich hier wieder vorbeikomme, hab ich schon x Kilometer. Und dann ist es echt nicht mehr weit. Und ich mag es gern, Leute zu sehen die schon auf dem Rückweg der ersten Runde sind und zu denken: Dich schnapp ich mir noch. Das gibt mir immer wieder Energie. Und vor allem mag ich das so gerne, weil ich weiß, dass ich Anastasia ab jetzt recht oft sehen werde. Das gibt mir nochmal einen Schub.Ich freue mich mit jedem Schritt, denke an weitere Tipps von Timo: Immer kühlen, immer Wasser auf den Kopf und Schwämme mitnehmen.
Ich nehme wieder 1 Salztablette pro Stunde und Gels ganz nach Gefühl. Ich fühle mich super. Kurz nach der Halbmarathonmarke geht meiner Uhr der Saft aus….ich ärgere mich nur ganz kurz und laufe einfach nach Gefühl weiter. Wie sich später herausstellt, bin ich die letzten 5Km viel schneller gelaufen als geplant, aber hat sich einfach richtig gut angefühlt, also voll okay. Manchmal hört man dann eben doch besser mal auf den Körper.
Und da vorne taucht es dann plötzlich auf: das Ziel! Ich laufe auf den roten Teppich mit dem Ironman Logo und kann es kaum fassen. Ich werde kein bisschen langsamer, normalerweise gehe ich zumindest die letzten Meter oder trabe, um die Stimmung aufzusaugen und um mich so richtig zu freuen. Aber an diesem Tag könnte ich nochmal 20Km mehr laufen. Ernsthaft, hätte mir jemand in der Situation gesagt: „Heute musst Du 60Km laufen“ – ich hätte es einfach gemacht. Aber so laufe ich durch den Zielkorridor, an Soldaten vorbei, die nicht besonders freundlich schauen, reiße meine Arme hoch und bin…. angekommen?! Ich bleibe ungläubig stehen und weiß nicht so recht wohin mit mir. Ich bekomme nicht mal mit, wie der Sprecher ins Mikrofon den berühmten Satz sagt: „Daniel, you are an Ironman“. Ich bekomme die Medaille und schaue mich ungläubig um…war´s das echt? Kann ich jetzt stehen bleiben :)? JA! Ich habs echt einfach geschafft. Ich habe es tatsächlich geschafft. Ich bin überglücklich. Mehr zählt in diesem Moment nicht.
Wie sich später herausstellt, bin ich den Marathon in 3:49h gelaufen und habe eine Zielzeit von: 12:02h.
Nach dem Zieleinlauf:
Die Zeit ist mir gerade ziemlich egal. Ich will jetzt einfach nur meine Sachen und mein Rad schnappen, nach Hause, duschen. Meine Gedanken ordnen und dann mit Anastasia Cerveza trinken und etwas gutes essen :D.
Ich komme zur Wechselzone um mein Rad abzuholen und sehe Anastasia. Sie steht am Zaun und ich laufe zu Ihr. Auch jetzt kullern ein paar Tränen und wir sprechen über vieles, aber mit Sicherheit nicht alles, was an diesem Tag so los war. Sie auf der einen Seite des Zaunes, ich auf der anderen. Hat ein bisschen was von Prison Break. Ach, Wettkampftage sind so wahnsinnig emotional…auch einer der vielen Gründe, warum ich diesen Sport so liebe.
Was für ein Tag, was für ein Wettkampf – unser Abend ist recht kurz, aber super schön. Wir fahren am nächsten Tag zur Award Verleihung zum Club la Santa und freuen uns mit den Gewinnern: Lucy Gossage und Alessandro DeGasperi. Die Atmosphäre ist wieder einfach großartig. Außerdem gibts Freibier :-D. War das mein erster und letzter Start beim Ironman Lanzarote? Mein letzter Besuch auf der Insel war es mit Sicherheit nicht.
Die letzten beiden Tage auf Lanzarote verbringen wir am Strand, trinken San Miguel und erholen uns. Wir haben es geschafft, das große Abenteuer: IRONMAN LANZAROTE!
Ein kleiner Nachtrag in eigener Sache:
Bei fast allen Rennen weltweit gibt es Rolling Starts. Und für mich steht fest: Ab einer gewissen Teilnehmeranzahl werde nie wieder bei einem Rennen mit Massenstart teilnehmen. Ich finde es ziemlich unverantwortlich so viele Athleten gleichzeitig ins offene Meer zu schicken. Es gibt zwar LifeGuards, die in Kajaks das Geschehen beobachten aber ich gehe nicht davon aus, dass diese Maßnahme ausreichend ist. Die Sicherheit der Starter sollte an erster Stelle stehen und meiner Meinung nach ist es nicht nötig eine solch gefährliche Situation für Athleten zu schaffen.