Jesse Thomas, ein Profi Triathlet aus den USA, sagte über den Ironman Lanzarote, er sei „the toughest Ironman in the world“ – der härteste Ironman der Welt.
Die Geschichte, warum ich das (bisher) genau so sehe, wie hart die Strecken wirklich sind und warum man manche Wettkämpfe als Abenteuer angehen sollte, gibt es hier in 2 Teilen :).
Teil 1:
Oktober 2017:
Meine Offseason beginnt gerade, nachdem ich in diesem Jahr echt ganz schön was einstecken musste. Zuerst habe ich mir am 01.01.2017 das Sprunggelenk beim „ersten Lauf in die neue Saison“ angerissen und war fast 4 Wochen außer Gefecht gesetzt. Ein wirklich glamouröser Saisonstart. Humpelnd ins neue Jahr. Wie war das bei Forrest Gump? Dumm ist der, der dummes tut“ :).
Danach habe ich zwar wieder gut ins Training gefunden, aber knapp 9 Wochen vor meinem Highlight im Juli (Staffelstart bei der Challenge Roth) bin ich dermaßen mit dem Rad gestürzt, dass ich wieder fast 6 Wochen mit einem „außer Betrieb“ Schild um den Hals vor der Playstation geparkt wurde.
Multiple Prellungen und Schürfwunden…aber das Schlimmste, ja das Allerschlimmste was ich bisher einstecken musste, waren mehrere geprellte Rippen und der geprellte Brustkorb. Uah, ich darf gar nicht daran denken. Wie es zu dem Unfall kam und was eine alte Oma auf dem Damenrad damit zu tun hatte, schreibe ich mal in einem anderen Artikel, wenn euch das interessiert :-D.
Weiter gehts! Meine Offseason fühlt sich irgendwie falsch an, ich hab ja fast nix gemacht…es kribbelt noch zu sehr in den Armen und Beinen. Triathlet bin ich seit 2010, mittlerweile schon mit 8 Starts bei der Challenge Roth (7x Einzelstarter, 1x Staffel), aber so richtig richtig ernst habe ich es bisher nie genommen. Natürlich hab ich immer viel trainiert, aber eben immer nur so viel, dass ich es gut über die Ziellinie geschafft habe. Meine Bestzeit über die Langdistanz liegt 2017 noch bei: 11:37:20. Aber jetzt will ich die Dinge ändern, ich liebe diesen Sport und will nun endlich mal eines von diesen Rennen angehen, von denen man immer mal wieder hört. Im Triathlon gibt es nämlich ein paar dieser sagenumwobenen Rennen, die immer wieder in den Wechselzonen und an Bars diskutiert werden. Hier eine kleine Auswahl: Der heilige Gral – klar, die Ironman Weltmeisterschaften auf Hawaii. Mordor – der Ironman Lanzarote. Und die Kammer des Schreckens – der Norseman Xtreme Triathlon.
Im Oktober 2017 entscheide ich mich also für eine Teilnahme beim Ironman Lanzarote, ich will nach Mordor. Klar, macht man ja so, wenn man gerade die schlimmste Saison ever hinter sich hat. Ich drücke auf den Anmelde Button und stelle 2 Dinge sofort fest:
1. ich fange an zu schwitzen (aus Angst oder aus Freude? Beides !!)
2. ich muss Einiges ändern, um mein Ziel zu erreichen.
Da ich bis zu diesem Tag noch nie mit einem Trainer gearbeitet habe und Ambitionen bekanntlich mit den Zielen wachsen, entscheide ich mich dazu einen Trainer zu suchen. Ich lese viel über den Ironman Lanzarote und schaue mir zur Motivation alte Hawaii Rennen und DVDs an. Bei einer bleibe ich hängen: bei der Triathlon Doku „I Against Me“. Als ich mit Triathlon angefangen habe, habe ich mir diese DVD gekauft. Es geht um den Ironman Hawaii und einige Topathleten, die auf dem Weg zu ihrem Saisonhighlight begleitet werden. Es gibt viele Interviews, die Pro´s mal ganz privat und einige Einblicke in ihr Training. Ich hab eine ordentliche Gänsehaut. Mit diesen Mädels und Jungs bin ich in den Triathlon gestartet. Und ein Athlet aus der Doku hat mich damals besonders inspiriert: Timo Bracht. Einer der besten und ehrlichsten Triathleten, mit Siegen bei den renommiertesten Rennen der Welt und mehrfachen Top-Ten Platzierungen beim Ironman Hawaii.
Ich schaue auf Facebook und finde Timos Seite recht flott. Ich bin voll motiviert, brauche einen Trainer und warum schreibe ich nicht einfach den Athleten direkt an, der mich schon inspiriert und motiviert hat, bevor ich richtig Kraulen konnte (ich denke, ich kann es immer noch nicht richtig. Kann überhaupt irgendein Triathlet richtig Kraulen, außer Lucy Charles? :-D)
Ich schreibe Timo also eine lange (haha, wer hätte das gedacht) Nachricht und frage ihn, ob er mich trainieren würde. Nach 2 Tagen erhalte ich die folgende Antwort:
„Hallo Daniel. Danke für deine nette Anfrage. Ich kann mich Ende der Woche um dich kümmern und würde gerne in Kontakt bleiben, sehe Möglichkeiten dir zu helfen. Viele Grüße, Timo“
Ok, bye! Ich falle fast vom Stuhl und falle dann wirklich vom Stuhl (Drehstuhl, super aufgeregt…ach ihr wisst schon). Wahnsinn. Nach einigen Mails und Telefonaten ist Timo mein Trainer. Krass. Man bekommt im Leben wirklich immer nur das, wonach man zu fragen auch mutig genug ist. Ich mochte solche Sprüche früher nie, aber…jetzt schon 🙂 (Danke Anastasia). Timo hält bis heute den Streckenrekord beim Ironman Lanzarote. Er gewann das Rennen 2011 in 08:30:35h. Eine unfassbare Zeit auf dieser Strecke. Wer sonst könnte mir bei der Vorbereitung auf dieses Rennen besser helfen als Timo?
Bei den Frauen ist es übringens keine geringere als Rachel Joyce, die den Streckenrekord mit einer Zeit von 09:28:12h hält.
Nach 6 Monaten ohne Verletzung & Krankheit, wahnsinnig gutem, strukturiertem und erfolgreichem Training, packe ich nun meine Radtasche und fahre nach Schönefeld zum Flughafen. Es wird ernst! Anastasia und ich sind mindestens gleichermaßen aufgeregt, als wir am 23.05.2018 ins Flugzeug einsteigen.
Arrecife, 23.05.2018:
Wir kommen auf Lanzarote an, es ist warm und windig, typisch für die Vulkaninsel und generell für die Kanaren. Wir fahren mit unserem Mietwagen zu unserer Wimdu-Unterkunft und erkunden so auch schon einen Teil der Wettkampfstrecke. Einen kleinen, aber feinen Teil. Mit knapp 400 Höhenmetern auf den ersten 20Km.
In der Unterkunft angekommen, packe ich erstmal das Rad aus der Soft-Tasche aus und baue es nervös zusammen: erste Hürde geschafft, das Rad hat die Reise ohne einen einzigen Kratzer oder sonstige Schäden überstanden. Ab jetzt nur noch Soft-Tasche – denke ich mir. Easy zu packen und leicht zu transportieren.
Noch genau 3 Tage bis zum Start. Nachdem ich mein Rad zusammengebaut hab, gehe ich erstmal eine Runde laufen. 4 Kilometer, 5:30ger Schnitt, ganz easy. Die Achillessehne zwickt etwas, aber das ist wohl eher der Aufregung geschuldet. Alles gut, nicht jetzt schon nervös werden, Beine hoch, essen, schlafen.
24.05.2018 – noch 2 Tage bis zum Rennen:
Heute stehen ein paar wichtige Punkte auf der Liste: Schwimmstrecke testen, die ersten 30Km der Radstrecke abfahren, den Start/Zielbereich anschauen etc.
Die 30Km mit dem Rad auf der Wettkampfstrecke sind so schön, dass ich bei all dem ganzen Drumherum nicht merke, wie anstrengend die eigentlich sind. Bei meiner Auswertung steht nachher: 30Km , 1:15:28 und jetzt….. Trommelwirbel….mit: 589 Höhenmetern. Das ist nicht soooo gut, wenn man in gerade mal 2 Tagen mit 100% vollem Akku am Start stehen möchte. Vor allem wenn es ein Wettkampf mit insgesamt 2586 Höhenmetern auf 180.2 Kilometern ist. Notiz an mich selbst: Fahr die Tage vor dem Rennen so flach wie nur irgendwie möglich :).
Das Testen der Schwimmstrecke verläuft großartig, ich fühle mich wirklich unfassbar gut. Ich schwimme 2 Km in 34 Minuten, ohne große Anstrengung. Da geht was.
An diesem Tag stellen wir fest, dass unsere Unterkunft mehr als ein paar kleine Mängel aufweist und ziehen nochmal mit Sack und Pack um. Kleine Mängel machen uns nix aus, kleine und große Tierchen überall, dann doch schon eher. Wir verbessern nicht nur die Unterkunft, sondern auch gleich die Lage: 400m bis zum Schwimmstart, perfekt. (Warum wir umgezogen sind und was das alles auf sich hatte, füllt mindestens nochmal einen eigenen Eintrag).
Wir laufen an der Strandpromenade entlang und schauen uns die Triathlon Messe an. Überall sieht man angespannte Athleten. Alle fallen irgendwie auf, tragen Shorts, Base Caps sind braun gebrannt und gut trainiert, tragen bunte Socken und haben es, das „eye of the tiger….döb…döb döb döb….döb döb döb….döb döb dööööööö“. Atmosphäre: 10 von 10 Punkten!
Ich schaue mir kurz den Start/Zielbereich an, laufe aber nicht über den Teppich, der bis zur Finishline führt und das Ziel schaue ich mir auch nicht genauer an. Das mache ich nie. Ist irgendwie zu einer kleinen Macke geworden. Mit Aberglauben hat das nichts zu tun, ich will mir nur nicht schon vorab diese wahnsinnige Perspektive nehmen, die ich hoffentlich haben werde, wenn es nach der letzten Laufrunde in Richtung Ziel geht. Das Wetter ist vielversprechend…..noch.
Nach einem kurzen Zwischenstopp in unserer Unterkunft, fahren wir zum Club La Santa, um meine Startunterlagen abzuholen. Die riesige Anlage des Sport Hotels ist irgendwie magisch. Also echt jetzt, ohne Werbung machen zu wollen. Ich war schon als Kind ein riesiger Fan von Sporthallen und Schwimmbädern, also Sportstätten allgemein. ich hatte schon immer das Gefühl, dass diese Orte für mich etwas ganz Besonderes sind. Ich kann mich noch zu 100% an den Geruch der Turnhalle erinnern, in der ich mein erstes Karate Training hatte. Ich fühle mich noch heute überall wo es nach altem Schweiß oder Chlor riecht irgendwie zuhause..wie schräg sich das auch anhören mag. Wer schon mal abends auf einer beleuchteten Tartanbahn im Stadion ein paar Runden gelaufen ist, weiß sicher genau wovon ich rede. Diese Atmosphäre…oh man.
Das Abholen der Unterlagen geht recht schnell, alles super organisiert und in der Schlange bekommt man sogar noch Getränke angeboten. Stark! Zuerst muss ich meine Tageslizenz kaufen. Die kommt mit 10€ billiger als bei allen anderen Rennen, die ich bisher gemacht habe. Ich versuche nicht zu verwundert zu gucken und stelle mich in die nächste Schlange. Unterlagen, Chip, Rucksack, Infos, alles einfach & übersichtlich auf kleinstem Raum. Wir gehen noch eine kleine Runde über die Anlage und hören uns die Wettkampfbesprechung an. Eine Sache ist tatsächlich neu: Beim Radfahren muss man keine Startnummer mehr tragen. Pflicht ist diese nur noch beim Laufen. Das war’s dann aber auch schon, der Rest ist nichts wirklich Neues – denke ich jedenfalls (Achtung Spoiler). Wir gehen zurück zum Auto. Ab nach Hause. Guter Tag :)!
25.05.2018 – der letzte Tag vor dem Rennen
Rad Check-In! Wir stellen uns zusammen in die Schlange für den Rad Check-In und kurz vor dem Einlass sehe ich, dass ganz viele Leute Ihre Startnummer schon umgebunden haben. Meine liegt in der Unterkunft *thumbsup*. Die nehme ich eigentlich immer lieber am Rennmorgen mit. Hätte ich mal gestern doch nochmal etwas besser zugehört :-D. Alles halb so wild, die Wettkampfrichter schreiben mir eine „Übergangsnummer“ auf eine Blanko-Startnummer und lassen mich durch zur Wechselzone. Dabei habe ich: mein Rad und 2 Beutel. Den Beutel für meine Laufsachen (Laufschuhe, Wechselsocken, Stirnband, Salztabletten und ein CLIFF Bar, der mir noch den A**** retten wird) und den Beutel fürs Radfahren (Radschuhe, 2 Gels, Radbrille, Socken).
Auf der Langdistanz trage ich immer Socken beim Radfahren. Bisher jedenfalls. Ich neige zu kalten Füßen und gehe immer lieber auf Nummer sicher. Ich habe das Wetter im Training einmal unterschätzt und hatte bei Kilometer 50 kein Gefühl mehr in den Zehen….wer das kennt, weiß ungefähr wie viel Spaß es gemacht hat, die 50km wieder zurück zu fahren. Ich nenne es: Das Reinhold-Meßner-Manöver! Das brauche ich nicht nochmal und schon gar nicht im Wettkampf.
Ich gehe zu den Stangen zum „Aufhängen“ der Räder und finde meine Startnummer recht flott. Rad geparkt, die Luft aus den Rädern bis auf 4Bar rausgelassen, Bremsen kontrolliert: Check.
Nun gehe ich rein ins riesige weiße Wechselzelt und hänge meine beiden Beutel an die Haken unter meiner Startnummer. Ich schaue mir an, auf welchem Weg ich morgen ins Zelt laufen werde wenn ich aus dem Wasser komme. Wie ich auf schnellstem Weg an meine Beutel komme, wo ich mich umziehen kann und wo ich schlussendlich abbiegen muss, um die richtige Reihe zu finden in der mein Rad steht. Ich präge mir alles soweit ein und merke jetzt schon, wie diese emotionalen Momente kommen, die ich vor fast jedem Rennen – allerdings meist erst direkt vor dem Start – habe. Diese Momente, in denen man darüber nachdenkt, was man alles getan hat um hier zu stehen. Was die letzten Monate alles passiert ist. Was es einem bedeutet hier zu sein. Was die Familie und Freunde wohl gerade denken, die einen in der ganzen Zeit supportet haben. Wie es wohl sein wird, ins Ziel zu kommen. Tausend Gedanken, aber alle einfach nur schön. So schön, dass man Tränen in den Augen hat. Den anderen geht es ähnlich, das sieht man :).
Ich fühle mich bereit. Ich will loslegen. Ich bin on fire. Wir gehen zurück ins Hotel und ich merke, dass Anastasia auch aufgeregt ist und trotzdem versucht so cool wie möglich zu bleiben, um mich runter zu bringen. Auch einer dieser Momente, in denen man einfach nur unendlich dankbar ist.
An diesem Abend kochen wir: Es gibt Bauerneintopf mit Buchweizen, Kartoffeln und frischem Gemüse.
Auf die Pastaparty gehe ich eigentlich nie. Ich mag das nicht so gerne. Zu wenig gute Pasta für zu viele aufgeregte Menschen :).
Wir gehen recht früh ins Bett, Massenstart ist um 08:00 angesetzt. Also voll entspannt….denke ich in diesem Moment und schlafe recht flott ein.
26.05.2018 – Raceday
Der Wecker klingelt und ich bewege mich wie ein kleiner Roboter. Fast schon in Trance spule ich alles ab, worüber ich so lange nachgedacht habe: Duschen, Sonnencreme, Anziehen, Frühstücken (ne große Ladung Porridge), Toilette. – Läuft.
Ich schnappe den Beutel mit meinem Neoprenanzug und der Creme gegen Wundreibung (ich danke an dieser Stelle, stellvertretend für alle Läufer/innen, Radfahrer/innen und Schwimmer/innen dem Menschen, der dieses Zeuch erfunden hat :D), meine Startnummer, meine Radpumpe und…auf geht’s Richtung Start.
Ich sehe Niemanden. Also klar sind da 3500 Athleten und mindestens nochmal so viele Begleiter, aber die sehe ich gerade nicht. Ich habe diese tausend Gedanken und bin mit mir selbst beschäftigt. Ich habe Tränen in den Augen als ich mich von Anastasia verabschiede. Ich denke während des Rennens öfter daran, was sie wohl gerade macht und ob es ihr gut geht. Und wie aufregend und anstrengend es wohl auch für sie sein muss, diesen Tag zu erleben.
Unten in der Wechselzone angekommen (direkt am Strand), kontrolliere ich mein Rad, pumpe die Reifen auf, platziere die Gels am Rad, positioniere meinen Garmin am Lenker, fülle die Flaschen auf und gehe in Richtung Wechselzelt.
Zwischen den anderen Athleten suche ich mir einen kleinen Platz zum Umziehen. Vorher kontrolliere ich aber nochmal meine Beutel fürs Laufen und Radfahren. So wie jeder andere Athlet auch….2 – 3 Mal :-D.
Ich ziehe meinen Neo an und schmiere mich am Hals und im Nacken mit der Creme gegen Wundscheuern ein, damit ich mir keine offenen Stellen einhandle (die können einem nämlich das ganze Rennen zerschießen, wenn dort Sonne, Salzwasser und Schweiß aufeinander treffen).
Also: Ein wichtiger Punkt für die Top 10 der Dinge, die man vor einem Wettkampf nie vergessen sollte – gute Idee für einen neuen Eintrag :D.
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Weiter gehts mit dem Rennen in Teil 2 :)!