Hier gibt es den zweiten Teil meiner Geschichte zur Challenge Almere Amsterdam 2018. Warum ich bei einer Mitteldistanz, trotz des Windschattenverbotes, ziemlich überraschend zum ersten Mal von einem Peloton überholt wurde, und wie ich doch noch eine neue persönliche Bestzeit auf den 112 Km aufstellen konnte:—————————————————–
Radfahren:
Der Wechsel vom Schwimmen zum Radfahren verläuft fast reibungslos. Bis auf die Tatsache, dass ich kaum Gefühl in meinen Fingern habe und das ausziehen des Neoprenanzuges dadurch nicht gerade einfacher wird, läuft es. Während wir aus dem Wasser in Richtung Wechselzelt laufen, sehen wir bestimmt aus wie eine Horde verwirrter Pinguine.
Einen kurzen Moment denke ich darüber nach, wie in aller Welt ich die kommenden 90Km wieder einigermaßen warm werden soll. Der Wind auf der Radstrecke ist schließlich berüchtigt und ich fühle mich wie ein kleiner Eisklotz. Aber ich verdränge den Gedanken recht schnell. Bringt ja eh nichts. Auf Mallorca gibt es ein paar Wochen später auch nochmal eine Mitteldistanz, bei ca. 22 Grad und Sonne …was mache ich hier :D?
Aber wie schon gesagt, es hilft alles nichts. Heute wird durchgezogen. Noch nie musste ich bisher bei einem Rennen aussteigen. Und ich weiß gar nicht, ob es gut ist (rein aus Eso-Spiri-Gründen) auch mal zu erwähnen, dass ich in einem Wettkampf bisher noch nie einen Platten hatte. Das Glück wird mich auch in diesem Rennen nicht verlassen.
Die ersten Kilometer fahren sich super gut, es geht auf einem eher kleinen Radweg ca. 3 Km raus auf die eigentliche Wettkampfstrecke. 1 Runde á 93 Km für die Starter auf der Mitteldistanz, 2 Runden für die Langdistanz. Auf der Strecke angekommen geht es nun erstmal auf den Deich, mit seitlichem Rückenwind. Das erste Drittel der Strecke lässt sich dadurch natürlich super gut fahren und ich halte einen 36er Schnitt. „Wahnsinn, das wird heute Bestzeit, zumindest auf dem Rad“, denke ich.
Mir fällt nebenbei auf, dass ich bisher nur einen einzigen Wettkampfrichter gesehen habe. Entweder streiken die heute, oder das sind einfach Ninjas in der Ausbildung und die üben gerade die sagenumwobene Technik des Spurlos-Verschwindens. Oder Cameron Wurff fährt so schnell, dass es eben einfach alle mit eigenen Augen sehen wollen. Der Profi Triathlet zählt zu den schnellsten Radfahrern und will heute natürlich den Streckenrekord auf den 180 Km brechen. Das schafft er schließlich auch in unglaublichen 04:10:49 h.
Jedenfalls sehe ich noch immer keine weiteren Kampfrichter und wundere mich nach einer gewissen Zeit schon sehr darüber. Am Ende der langen Geraden geht es nach rechts und volles Rohr in den Gegenwind. Ganz schön gemein. Als würde sich einfach noch jemand mit aufs Rad setzen und Eis essen, während man selbst gefühlt doppelt so hart in die Pedale treten muss. Meine Wattzahlen steigen nun unproportional zu meiner Laune aber ich liege trotzdem noch bei einem 34er Schnitt und diesen kann ich auch bis zum Ende des Radfahrens halten.
Bis zum zweiten Wechsel ist es aber noch ein ordentliches Stück. Ab der 60Km Marke werde ich immer öfter von kleinen Gruppen überholt, die sich wohl aufgrund der fehlenden Kampfrichter gebildet haben. Das ärgert mich! Unter normalen Umständen klinkt man sich im Triathlon nicht beim Vordermann ein und fährt einfach mit. Das ist auf den längeren Distanzen verboten und es hagelt Zeitstrafen, wenn die Kampfrichter das sehen. Ach ja, die Kampfrichter?! Ich muss nach dem Rennen mal fragen, ob es denen auch gut geht. Vielleicht kann ich ja einen finden und ein Selfie machen. Das wäre doch mal was. Die seltene Spezies „Kampfrichter“ ist in Almere an diesem Tag schließlich recht schwer zu finden.
Und plötzlich fährt eine Gruppe an mir vorbei, die aus mindestens 10 Fahrerinnen und Fahrern besteht. Was zur…?
Ist man genauso glücklich, wenn man im Ziel ankommt und nur die halbe Arbeit getan hat? Ich denke nicht. Ich hänge mich jedenfalls nicht ran. Warum auch? Ich halte das für Trick 17 mit selbst Verdummbeutelung. Wie war das nochmal? Der Bruder von Bilbo Beutlin ist Bilbo Dumm-Beutlin. Und der will ich nicht sein.
Ich gehe dann lieber abends mit sehr müden Beinen ins Bett, weiß aber, dass ich auf die Pedale gedrückt habe, was ich alleine draufdrücken konnte.
Ich habe einmal bei meiner ersten Teilnahme an der Challenge Roth eine Zeitstrafe wegen Windschattenfahrens bekommen. Ich war auf den letzten 40 Km der Radstrecke mit der bekannten „Kopf-runter-und-durch-Haltung“ unterwegs. Kräftemäßig war ich schon nicht mehr so ganz auf der Höhe und ich habe nicht bemerkt, dass ich wohl einige Zeit hinter einer Athletin geradelt bin, ohne den Abstand von min. 12m zur Vorderfrau einzuhalten. Damit habe ich mir eine Zeitstrafe eingehandelt. Völlig zu recht. Ich musste 5 Min. in einer Penalty-Box warten und auf der Laufstrecke 1 Km zusätzlich zurücklegen. Schmerzhaft, aber eben völlig zu recht. Das Schlimmste war für mich allerdings, dass als Zeichen der verhängten Zeitstrafe, meine Startnummer durchgestrichen wurde. Ich fühlte mich gebrandmarkt, geteert, gefedert und zur Schau gestellt. Das brauche ich nicht nochmal, deswegen schau ich jetzt auch öfter mal nach oben. Auch auf den letzten Kilometern, auch bei Gegenwind und eigentlich immer. Dieser Sport ist fair und ich will es auch sein. Zu 100%.
Ich ärgere mich jedenfalls über diese große Gruppe. Aber der Ärger ist nicht von Dauer, denn ich muss mich auf mein Rennen konzentrieren, wenn ich eine neue persönliche Bestzeit erreichen will. Die Strecke ist wirklich schön. Ab und an kommt nun sogar mal ganz kurz die Sonne raus. Diese Momente im Rennen geben einem viel zurück. Wahnsinnig viel, auch wenn Sie manchmal etwas kürzer sind. Warm wird mir trotzdem nicht so richtig, der Wind ist fies und ich kann mit meinen 60Kg nichts dagegen tun. Im Winter muss ich zulegen, denke ich mir. So 3-4 Kilo mehr schaden mit Sicherheit nicht.
Die letzten Kilometer vergehen schnell und ich komme nach 2:43 Min in die zweite Wechselzone. Ich will an diesem Tag nicht nur eine neue Bestzeit, sondern auch wahnsinnig gerne unter der 5:00 Stunden Marke bleiben. Wenn ich den Halbmarathon so durchziehen kann, wie geplant, dann wird das auch was.
Laufen:
Zum vierten Mal in dieser Saison heißt es Runter vom Rad, rein in die Laufschuhe. Das klappt dementsprechend ohne Probleme und ich laufe aus dem Wechselzelt. Ich sehe Anastasia, laufe zu ihr, drücke sie und gebe ihr einen Kuss. Dafür ist immer Zeit.
Die Beine fühlen sich wahnsinnig gut an und ich starte mit 4:12 Min. pro Kilometer. Was mich auf den ersten Kilometern eher nachdenklich stimmt, ist, dass ich beim Verlassen der Wechselzone auch Jannis und Silke gesehen habe. Jannis sollte ja eigentlich gerade auf der zweiten Radrunde sein und nicht schon im Zielbereich stehen. Ich hoffe, dass es ihm gut geht und laufe die Erste von insgesamt 3 Runden genau in der gewünschten Pace. Ich fühle mich gut, die Strecke liegt mir und ich kann schnell einige Athleten einsammeln. Es geht entgegen dem Uhrzeigersinn um den See, in dem wir vor ein paar Stunden noch geschwommen sind…..grazil wie Treibholz :D.
Gegen Ende der zweiten Runde muss ich dann allerdings etwas rausnehmen. Warm ist mir mittlerweile, aber mein Magen meldet sich nun öfter mal. Er sagt in recht deutlichen Worten: „Kein Gel mehr, sonst fahre schon mal ins Hotel. Kannst ja dann nachkommen, wenn Du Dich traust.“ An der Strecke wird eine Gel Marke gereicht, die mir nicht so gut bekommt und ich habe recht wenig Alternativen. Gar keine, um genau zu sein. In meinen Gedanken sehe ich einen kleinen gehässigen Hasen mit Hut, der mit einem riesigen roten Stift die 04:59 durchstreicht und eine fette 5 vor meine Zielzeit malt. Danke Hase! Das wird nun echt nix mehr, ich lasse weiter nach und pendle mich bei einem 5er Schnitt ein. Unter 5 Stunden schaffe ich das nun echt nichtmehr, aber die neue Bestzeit ist trotzdem noch drin. Ich reiße mich zusammen und sehe bald das noch ca. 2 Km entfernte Ziel. Gleich da! Bald geschafft!
Im ZIEL!!
Ich laufe durch den Zielbogen und genieße es weitaus mehr, als ich es mir noch vor ein paar Minuten vorgestellt hatte. Ich dachte für einen Moment: durchlaufen und abhaken.
Aber ich will nicht dieser Wettkampftyp werden, der mit einer guten Leistung finisht und einfach nie zufrieden ist. Ich will jeden einzelnen erreichten Zielbogen genießen und zwar so richtig. Ich habe gerade verdammte 112 Km zurückgelegt, bin verletzungsfrei, hatte eine tolle Saison und bin vollgepumpt mit Endorphinen bis sonst wohin. Also reiße ich die Arme hoch und freue mich auch gefälligst über das Erreichte. Danach kann man ja immer noch analysieren und sich auch mal ärgern. Aber ein Zielfoto mit schlechter Laune ist ungefähr genauso wertvoll wie Motorradhelme für Hamster. Kann man auch später schlecht erklären (also Beides, das Foto und die Helme). Ach und der Motivation dient das auch nicht wirklich. Dann lieber lachen und genießen.
Meine Zielzeit beträgt 5:06:49h. Neue Bestzeit: Check! Das zählt heute einfach doppelt.
Ich spreche mit ein paar Athleten, die entweder auch keine, oder nur sehr wenige Kampfrichter gesehen haben. Komisch finde ich das zwar immer noch, aber das geplante Selfie mit einem Kampfrichter mache ich dann doch nicht mehr.
Jannis hatte einen technischen Defekt und musste leider schon zu Beginn der Radstrecke aussteigen. Das tut mir immer noch super leid. Wenn Du das liest, lieber Jannis: Man hat Dir Deine langen Trainingsstunden angesehen und ich bin mir mehr als sicher, dass Du 2019 richtig einen raushauen wirst.
Nach dem Ziel schnappe ich mir wie so oft meine Sachen und verziehe mich mit Anastasia recht schnell in eine ruhige Ecke. Wir essen ein bisschen was und reden über diesen harten und langen Tag. Das war er für uns beide, sie musste schließlich auch ganz schön lange in der Kälte einen Verrückten unter vielen vom Start bis ins Ziel Supporten. Danke, dass du das alles aushältst :*.
Kurz danach sitzen wir im Auto in Richtung Dortmund um Anastasias Eltern zu besuchen. Wir gehen essen und haben einen super schönen Abend. Am Tag darauf fahre ich ins Saarland zu meiner Familie, und zwei Tage später geht es zurück nach Berlin. Ein verlängertes 2000Km Wochenende, Plus 112 Km Wettkampf. Und jeder einzelne Kilometer war es aber sowas von wert. Triathlon ist eben einfach der beste Sport der Welt!
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Ein kleiner Nachtrag:
Auch wenn es vielleicht hier und da mal nicht so klingt: die Challenge Almere ist ein top organisierter und wahnsinnig schöner Wettkampf. Die Helfer sind der Hammer und die Strecke ist durch den Wind und die langen Geraden sehr fordernd. Man hat gute Chancen hier bei gutem Wetter ein fantastisches Rennen zu haben. Ich komme wieder. Soviel steht fest.
1 Kommentar
Hey Daniel, das mit der Zeitstrafe in Roth war 2015, glaube dein zweiter Start! Kann mich gut daran erinnern wie Du mich auf der Laufstrecke überholt hast, mit einer großen Portion Wut im Bauch.
Du bist es auch gewesen der zu mir da sagte, genieße den Wettkampf, du hast soviel Geld bezahlt und letztendlich hat man ja 16 Stunden Zeit ( also damals in Roth)
So habe ich es auch in Almere gesehen 🙂
Gruß aus Aurich